“Zukunftsräume”

Coworking-Spaces – auch ein Konzept für Hochschulen?

Ostfalia-Absolventin und CWS-Expertin Luisa Fischer mit KomMa über alternative Arbeitsorte und –formen im Gespräch.

1. Liebe Luisa, im Rahmen Deiner Bachelorarbeit hast du Dich mit dem Coworking-Space als alternativen Arbeitsort auseinandergesetzt. Dazu bist Du qualitativ vorgegangen und hast Expertinnen und Experten befragt. Mit wem hast Du genau gesprochen?

Meine fünf Interviewpartner hatten alle direkte Berührungspunkte zu CWSs. Zum einen habe ich meinen Betreuer aus meinem Praxissemester interviewt. Er hat einen CWS in Magdeburg gegründet, kennt sich also bestens mit dem Konzept aus und ist selbat ab und zu mal Coworker.

Dann habe ich mit einem Karrierecoach gesprochen, der seinen Firmensitz in einem CWS hat und somit täglich Kontakt zu anderen Coworkern. Dazu hat er interessante Einblicke gegeben, welche Kriterien er bei der Auswahl eines passenden CWS für sein Unternehmen beachtet hat.

In meiner Wahlheimat Flensburg habe ich einen Arbeitnehmer interviewt, dessen Arbeitsort übergangsweise seit mehreren Jahren ein CWS ist. So konnte ich die Perspektive der Arbeitnehmer ebenfalls in meine Auswertung einfließen lassen.

Darüber hinaus hatte ich zwei Interviewpartner, die sich auf wissenschaftlicher Ebene mit Themen wie New Work, Arbeitsmedizin und auch CWS befassen. Besonders aus arbeitswissenschaftlicher Sicht ist eine Auseinandersetzung mit New Work- Themen wie CWS relevant: Es bedeutet nämlich nicht, nur offene, bunte Flächen mit Clean-Desk-Policy zu haben. Rückzugsmöglichkeiten und eigene Gestaltungsfreiheit sollten im Diskurs nicht vernachlässigt werden und sind für den Erfolg des Konzepts relevant.

2. Was sind zusammengefasst Chancen von CWS (aus Arbeitgeber einerseits und Arbeitnehmersicht andererseits)?

Chancen aus Arbeitgebersicht sind in erster Linie die Herstellung von Effizienz. Indem die Büroräume flexibel gebucht werden, können Kosten für ungenutzte Flächen reduziert werden. Gerade für Tätigkeiten oder Teams, bei denen projektbasiertes Arbeiten im Fokus steht, wird für bestimmte Projektphasen besondere Infrastruktur wie Räume für Ideation oder technisches Equipment benötigt. An dieser Stelle kommen teils hohe Zusatzkosten und Zeit- und Organisationsaufwand auf den Arbeitgeber zu, würde er versuchen die benötigten Räumlichkeiten selbst zu Verfügung zu stellen. CWS haben den starken Vorteil, dass das Mieten kaum Organisationsaufwand erfordert. Sie lassen sich online kurzfristig buchen und je nach Bedarf können besondere Laufzeiten und Konditionen (bspw. mehrjährige Verträge oder die kostenfreie Nutzung der Drucker etc.) mit dem jeweiligen CWS-Anbieter ausgehandelt werden. Besonders wenn es sich um Projekte handelt, die mit Mitgliedern anderer Teams und ggf. auch externer Firmen – im Sinne einer Co-Creation – entstehen, kann das Nutzen von unternehmensfernen Orten die Innovationskraft anregen. Durch das Zusammenkommen mit anderen wird ein Austausch entstehen, der die fachlichen Kompetenzen und das soziale Umfeld der Mitarbeiter ausbaut und wodurch der Arbeitgeber wiederum profitieren kann. Gegebenenfalls hilft das Ausbrechen aus dem gewohnten Umfeld, motivierter, kreativer oder innovativer zu arbeiten. Dies wird auch dadurch begünstigt, dass es an diesen Orten in der Regel keine Unternehmenszwänge, Hierarchien etc. gibt und so ein Austausch auf Augenhöhe zwischen allen Beteiligten stattfinden kann. Gerade Arbeitgeber, die keinen präsenzorientierten Führungsstil haben, wirken auf Arbeitnehmer modern, agil und wohlwollend. Ein CWS als alternativen Arbeitsort anzubieten, kann demnach positive Auswirkungen auf das Image haben.

Aus Arbeitnehmersicht birgt das Nutzen von CWS den Vorteil der Flexibilität und Autonomie. Gerade in Zeiten von Pandemie und Homeoffice hat sich herausgestellt, dass nicht jeder Mensch gut selbstorganisiert von Zuhause arbeiten kann – Stichwort Boundary Management. Besonders Familie, Haushalt oder fehlende Ausstattung können die Produktivität des Mitarbeiters einschränken und sich negativ auf das Gesamtergebnis des Projekts bzw. Unternehmens auswirken. An dieser Stelle ist ein CWS ein angemessene Alternative, einerseits Flexibilität zu ermöglichen und andererseits einen Rückzugsort zu bieten, an dem der Mitarbeiter ungestört seiner Tätigkeit nachgehen kann.

Nicht zu vernachlässigen ist zudem, dass unter Umständen der große Stressfaktor Pendeln entfällt, sollte sich der CWS in der Nähe der Wohnorte der Mitarbeiter befinden. Nicht nur positive Auswirkungen hätte dies auf die Work-Life-Balance und Zufriedenheit der Mitarbeiter. Auch Emission für Reisetätigkeiten werden reduziert. Dies verbessert also auch die Nachhaltigkeit des Arbeitgebers. Alle genannten Aspekte – Nachhaltigkeit, Autonomie und Flexibilität – sind besonders für die Generation Z relevante Themen, wenn es um die Wahl des Arbeitgebers geht. Entscheiden sich also Unternehmen dazu CWS als alternativen Arbeitsort anzugeben, können diese einen Vorteil – gerade hinsichtlich des Fachkräftemangels – im Kampf um Talente auf dem Markt haben.

3. Welche Tätigkeiten eignen sich für CWS und daraus resultierend: Wer kann von CWS profitieren?

Für die Arbeit in CWS eigenen sich alle Tätigkeiten, die wissensbasiert, hauptsächlich digital mit Laptop und ohne physische Präsenz ausführbar sind – also Tätigkeiten, bei denen das papierlose Büro vorherrscht. Das kann von Beratung über Marketing bis zur IT gehen. Hier sind kaum Grenzen gesetzt. Auch könnte man bei Tätigkeiten, die normalerweise physisch Hardware-produzierend sind, darüber nachdenken, bestimmte Teilaufgaben wie Forschung oder Innovationsmaßnahmen in einen CWS zu transferieren.

Grundsätzlich kann also jeder bei dem die eben genannten Bedingungen an die Arbeit erfüllt werden, vom Arbeiten in CWS profitieren. Besonders jemand, der gut selbstorganisiert arbeiten kann, sich nach Austausch sehnt, offen für Gespräche und Ansichten ist und über der eigenen Tellerrand schauen möchte, wird einen großen Vorteil von der Nutzung der CWSs haben.

4. Welche Rolle spielen Werte wie Vertrauen und Offenheit im Kontext von CWS?

Die Werte Vertrauen und Offenheit sind zentrale Elemente von dezentralen Arbeitsformen wie es das Arbeiten in CWS ist und sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber essentiell.

Einerseits muss der Arbeitgeber starkes Vertrauen in die Leistungserbringung seiner Mitarbeiter haben, auch wenn sie sich nicht vor Ort befinden und so nicht ständig kontrolliert werden können. Klare Kommunikation, Transparenz und Regeln über Nutzung der Arbeitsform stärken das Vertrauen und ermöglichen dezentrales Arbeiten ohne Nachteile.

Offenheit ist neben dem Vertrauen ein wichtiger Aspekt für beide Parteien: Einerseits muss der Arbeitgeber überhaupt einmal offen sein und mit dieser neuen dezentralen Arbeitsform experimentieren wollen, was Aufwand erfordert und ggf. auch nachteilig sein kann. Hier ist also Offenheit gefragt, sich als Arbeitgeber mit neuen Konzepten von Arbeit auseinanderzusetzen und es für die eigenen Mitarbeiter passend zu machen und diese mit der Arbeit in CWS vertraut zu machen.

Andererseits müssen auch die Arbeitnehmer offen sein, solche Konzepte anzunehmen und auszuprobieren. Nur wenn eine gewisse Offenheit gegenüber neuen Menschen, neuen Arbeits- und Denkweisen vorhanden ist, kann Austausch mit Gleichgesinnten stattfinden, von der ein CWS lebt.

5. Bringt CWS auch Herausforderungen mit sich? Welche?

Das größte Risiko, dass ein CWS als alternativer Arbeitsort mit sich bringt ist ganz klar das Datenschutzproblem, weshalb sich erst wenige Unternehmen mit dem Konzept CWS beschäftigt haben. Besonders große Unternehmen und Konzerne haben strenge Datenschutz-Richtlinien, die eingehalten werden müssen und weshalb die Arbeit an dritten externen Orten bislang nicht möglich ist. Möglichkeiten wären an dieser Stelle konzern-/ unternehmenseigene CWS zu erschaffen, um von den starken Vorteilen wie Flexibilität, Autonomie und Austausch bestmöglich profitieren zu können. Es besteht auch die Option, kleine Büros (Private Offices) im CWS zu buchen, um vom Austausch vor Ort zu profitieren und dennoch eine Rückzugsmöglichkeit zu haben, sollten Tätigkeiten mit sensiblen Daten ausgeführt werden.

Eine weitere Herausforderung besteht in der Permeabilität, die beschreibt, dass eigene Mitarbeiter von externen Arbeitgebern, die sich auch im CWS befinden, abgeworben werden können. Die Gefahr Mitarbeiter zu verlieren, ist aufgrund der Werte wie Offenheit und durch den Austausch mit anderen nicht vermeidbar. Eine Stärkung der Mitarbeiterbindung ist an dieser Stelle sinnvoll, um das Risiko zu minimieren.

Weitere Risiken der Nutzung externer CWSs sind einerseits Zusatzkosten und andererseits Nachteile für die Zusammenarbeitskultur im Unternehmen. An dieser Stelle muss Nutzungsumfang und -weise klar für die Mitarbeiter kommuniziert werden, um unvorhersehbare Mehrkosten sowie fehlende Teamzusammenarbeit zu minimieren. Um letzteres Risiko einzudämmen, was in allen Formen von hybrider Zusammenarbeit entsteht, ist die Frage nach dem Schaffen von Gemeinschaft im hybriden Raum äußerst relevant. (Wie diese gestaltet werden kann, erklärt Alexandra Bernhardt in einem Buchbeitrag – hybride Arbeitsräume – die Bedeutung der Atmosphäre).

6. Wie lautet Deine Zukunftsprognose mit Blick auf alternative Arbeitsorte?

Corona hat uns zwar dazu gezwungen, aber auch gezeigt, dass es möglich ist, außerhalb des Firmenbüros zu arbeiten. Natürlich müssen die Bedingungen an die Arbeit (überwiegend digital, ohne physische Präsenz durchführbar etc.) erfüllt werden, dass diese von dritten Orten erledigt werden kann. Der wachsende Wunsch nach Flexibilität und Selbstbestimmung der neuen Generationen, die zukünftig den Arbeitsmarkt dominieren werden, spielt in diesem Wandel zur Flexibilisierung der Arbeitswelt eine bedeutende Rolle. Vor allem im Kampf um junge Talente müssen sich Unternehmen anpassen und auf die Bedürfnisse (potenzieller) Mitarbeiter eingehen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das Anbieten von alternativen Arbeitsorten zum Firmenbüro ist ein Schritt in Richtung agiler, moderner Führung und weg von starren, präsenzorientierten Strukturen. Natürlich muss jeder Arbeitgeber selbst entscheiden, ob und wie sie das Konzept für sich nutzen können und wollen. Grundsätzlich steckt hier aber viel Potenzial – vor allem in dem hybriden Mix aus alternativen Arbeitsorten und dem Firmenbüro, welches sich dann eher zu einem Ort der Begegnung als ein Ort der reinen Arbeit transformieren wird.

7. Kannst Du Dir vorstellen, dass CWS auch für Hochschulen interessant und relevant sein könnte?

Einen CWS in Hochschulen anzubieten ist ein interessanter Gedanke, aus vielen Perspektiven interessant. Gerade wenn es unterschiedliche Standorte wie bei der Ostfalia gibt, kann ein CWS wertvoll sein, um mit Studierenden anderer Studiengänge in Kontakt zu kommen, zu denen man ansonsten keinen Zugang hätte. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit kann an solchen Orten gefördert werden, es können neue Kontakte geknüpft werden und gegenseitiges Lernen und Erfahrungsaustausch sind weitere positive Aspekte, die CWS an Hochschulen mit sich bringen würden.

Interessant ist auch, dass nicht nur Studierende dort Platz finden, sondern auch Dozierende und ggf. Firmen mit denen kooperiert wird. Abhängig von der Atmosphäre im CWS, können sich alle Beteiligten auf Augenhöhe unterhalten, was die Innovationskraft potentiell steigern kann.

Mithilfe eines CWS an einer Hochschule kann eine Plattform bzw. ein Ort entstehen, der interdisziplinär neue Projekte startet und fördert. Ein hochschuleigener CWS kann den Studierenden aber abseits von zahlreichen Seminarräumen einen Ort der Arbeit in anderer Atmosphäre bieten, der auch gleichzeitig ein Ort für Stillarbeit sein kann.

Auch das Erweitern des Netzwerks ist besonders für Studierende relevant, denn so können sie potenzielle Anstellungsmöglichkeiten ausloten und einfacher in die Arbeitswelt einfinden.

Vielen Dank Luisa, dass Du Dir die Zeit genommen und unsere Fragen beantwortet hast! 

Gute Lehre? Gute Lehre! Sechs Geschichten…

Was hat meine Lehre inspiriert? – das fragt die “Stiftung Innovation in der Hochschullehre“. Diese wurde im Jahr 2020 auf Initiative der Regierungen von Bund und Ländern gegründet, um dauerhaft Qualität und Innovationen in Studium und Lehre zu fördern. KomMa-Professor Harald Rau hat aus dem “Was” für den “Hörsaal” als “Stimme zur Lehre” kurzerhand ein “Wer” gemacht. Den Podcast in sechs sehr persönlichen Geschichten gibt es in voller Länge auf der Website der Stiftung: https://stiftung-hochschullehre.de/hoersaal/
In einer guten dreiviertel Stunde schildert Harald Rau sehr persönlich, dass Lernen am Ende eine sehr emotionale Sache ist, dass es kein Patentrezept gibt und welche Rolle gute Vorbilder spielen – auch dann spielen, wenn man sie im ersten Moment ganz und gar nicht als Vorbilder erkennen und anerkennen will. Bildungsbiografiearbeit einmal anders.

25 Jahre Campus Salzgitter

Der Campus Salzgitter, Heimat der Großfakultät für Verkehr-Sport-Tourismus-Medien an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften wird 2018 25 Jahre alt. Dazu gab es einen 25-Stunden-Vorlesungs-Marathon, einen 25-Stunden-Filmwettbewerb und eine 25-Stunden-Feier im Mai. Zusätzlich beantworteten Lehrende der Fakultät 25 allgemeinverständliche Fragen zu ihren Wissenschaftsfeldern.

Das KomMa-Team zeichnete für die Organisation des Vorlesungsmarathons verantwortlich und präsentierte unter anderem eine nächtliche Filmanalyse der besonderen Art – und beantwortete im Rahmen der KinderUni wesentliche Fragen der Kommunikation – wie sich zum Beispiel ganz leicht das Taschengeld erhöhen lässt. Zudem veranstaltete die Professur eine Reihe mit Praxisvorträgen renommierter JournalistInnen am Campus.