Am 15. April gab es an dieser Stelle eine erste, recht positive Bilanz zum Online-Sommersemester: Mehr Zeit, die investiert werden muss, aber auch nicht unbedingt weniger oder schlechtere Ergebnisse. Seit dieser Woche (18. Mai) sind unter strengen Auflagen auch wieder Präsenzlehrveranstaltungen möglich, es bleibt an der Ostfalia in Salzgitter dennoch erstaunlich ruhig. Viele haben sich in der digitalen Lehre eingerichtet, sich mit ihr angefreundet. Eine Umfrage am vergangenen Montag (18.5.) im Studiengang Kommunikationsmanagement ergab: 55 Prozent der Studierenden eines Jahrgangs wollen auch künftig überwiegend Onlinelehre, 45 Prozent der Teilnehmer brauchen für sich auch den persönlichen Kontakt mit Mitstudierenden und Dozenten. Auch dieses Ergebnis zeigt: Wer sich jetzt nicht darauf einlässt, verpasst grundlegend etwas – und die verwendbaren Werkzeuge sind leichter zu bedienen und anzuwenden, als sich das viele das noch immer vorstellen. Entscheidend ist die Didaktik, also die Frage, wie man welche Inhalte in eine Struktur, in eine Logik, genauer: in eine Vermittlungslogik überführt. Wer heute Schwierigkeiten in und mit der Online-Umsetzung von Lehrangeboten hat, darf sich also noch einmal intensiver mit dem generellen „Wie“ beschäftigen, mit der Frage, auf welche Weise Themenfelder oder Schwerpunkte thematisiert werden sollten. Es gibt zahlreiche Konzepte – viele von ihnen aus den 1970er Jahren, sie funktionieren auch in der Onlinewelt. Genau deshalb kann man in der Krise auch eine Chance sehen!
Beim Blick zurück könnte man gar der Landespolitik Versäumnisse vorwerfen. Zur Erinnerung: Bildungspolitik ist im föderalen Deutschland Ländersache. Auch wenn das zu unterschiedlichen Regelungen und Qualitäten der Schulabschlüsse führt – und dies regelmäßig kritisch diskutiert wird, so ist das doch grundlegend eine sehr gute Sache. Es macht die Bildungspolitik flexibler, anpassungsfähiger. Schließlich: die Politik und ihre Protagonisten sind einfach „näher dran“. Doch bezogen auf die Digitalisierung der Lehre an den Hochschulen, zeigen sich in allen Bundesländern derzeit Defizite. Warum? Vielleicht liegt der Hauptgrund in den Anreizsystemen. Hochschullehrer erkennen aktuell: Digitale Hochschullehre ist anspruchsvoll, ist intensiv – und sie macht viel Arbeit, sehr viel Arbeit. Wer sich für die Sache engagiert , sitzt Stunden um Stunden, um Screencasts zu produzieren, individuelle Gespräche anzubieten, Aufgaben zu formulieren, Korrekturschleifen einzubauen, vielleicht noch einen Podcast einzusprechen, am Abend noch über Mail- und Messengerdienste eingegangene Fragen zu beantworten. Ein Beispiel: Für einen aktuell und für dieses Semester neu aufbereiteten Onlinekurs auf Masterniveau im Studiengang Kommunikationsmanagement wurden von Professoren und Mitarbeitern insgesamt bereits 420 Stunden an Arbeitsleistung investiert. Dabei steht dieser Kurs pro Semesterwoche mit lediglich zwei Stunden an Lehrzeit im Kalender. Jeder Professor, jede Professorin an der Ostfalia in Salzgitter muss im Semester 18 Stunden pro Woche unterrichten. Richtig, der Kurs kann in den kommenden Jahren weiterverwendet werden, eine Aktualisierung ist mit geringerem Aufwand möglich. Aber auch die Lehrenden müssen sich die Möglichkeiten digitaler Hochschullehre erst einmal aneignen. Nicht alle die im Hörsaal überzeugen, können das auch auf YouTube. Der beschriebene Kurs vereint aufbereitete Screencasts, Video- und Audioangebote, digitalen Karteikarten, programmierte Entscheidungsbäume, gibt die Möglichkeit zur Einreichung von Aufgaben, stellt Texte zur Verfügung, eine Datenbank mit Literatur, ein wachsendes Wiki zu Methoden. Vieles davon benötigt umfangreiche Kenntnisse (zum Beispiel, wie man Werkzeuge aus dem digitalen Baukasten der H5P-Familie einbindet, was an dieser Stelle nur Insidern etwas sagen wird) – und wenn dann alles auch noch für mobile Geräte optimiert werden soll, braucht es endgültig den Experten.
Foto: Benjamin Rech
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