Wo eigentlich beginnt Partizipation und was hat solchermaßen verstandene “Beteiligung” mit Demokratie zu tun? Wann geht Partizipation in Aktivismus über und wie passt das Konzept des “Involvement” hinein? Das sind Fragen, mit denen man sich am Leibniz-WissenschaftsCampus “Postdigitale Partizipation” zwingend beschäftigen muss – dies geschieht in der Praxis zum Beispiel über Workshops. Jetzt war Christopher Kelty am Campus zu Gast, KomMa-Doktorand Per Ole Uphaus und Harald Rau als Mitglied des Steuerkreises für den Leibniz-Campus hatten die Gelegenheit im kleinen Kreis mit dem “Partizipationsforscher” aus Los Angeles zu arbeiten.
Weltweit hat sich wohl niemand in der jüngeren Vergangenheit so intensiv mit dem Thema Partizipation auseinandergesetzt wie Christopher Kelty. Er lehrt an der Universität von Kalifornien in Los Angeles und besucht den Leibniz-WissenschaftsCampus – Postdigitale Partizipation. Dessen Stellvertretende Sprecherin Felicitas Macgilchrist moderiert durch einen Tag, der für die Campusmitglieder unzählige Gedanken, Ansätze und Theoreme bereit hält. Es ist ein Tag der Reflexion, des Innehaltens im und für den WissenschaftsCampus. Doktorandinnen und Doktoranden, Mitglieder des Steuerkreises diskutieren auf hohem Niveau und lassen sich inspirieren.
Wer eigentlich ist derjenige, der sich beteiligt, der mitmacht, dabei ist, sich für das Ehrenamt, für die Gemeinschaft für Nachhaltigkeit, Gemeinwohl oder sozialen Frieden engagiert. Und warum ist das Phänomen Partizipation so schwer zu fassen?
Antworten auf diese Fragen zu finden, ist nicht leicht, und Christopher Kelty gesteht im Gespräch, auch er kann in seinem Buch, das von zahlreichen Fallstudien lebt und damit nicht nur Theorie liefert, sondern nah an Herausforderungen der Praxis operiert, auch er kann also in seinem Buch am Ende kaum scharfe Linien zwischen Partizipation und Demokratie, zwischen Partizipation und Aktivismus oder Aktionismus ziehen. Besonders schwer wird es nach seiner Meinung bei der Fragestellung der inneren Beteiligung, des Involvement. Und: Sind es am Ende nur Expertinnen oder Experten, die sich begeistern lassen? Wer kann in und für Beteiligungsprozesse gewonnen werden ? Schließlich: Man muss immer auch die Lautstärke in Beteiligungsprozessen betrachten. Minderheiten sind eben oft lauter als Mehrheiten. Keltys besonderes Augenmerk liegt auf der Frage nach dem Wert. Partizipation ist für ihn per se nicht gut oder schlecht. Für ihn ist es wichtig auch die „dunkle Seite“ zu sehen. Er braucht die differenzierte Auseinandersetzung.
Bleibt zusammenzufassen: Partizipation ist ein ebenso vielschichtiges wie wertvolles Konstrukt, das den Diskurs der Disziplinen benötigt. Das von der Verhandlung des Begriffs- und seinen praktisch-gesellschaftlichen Ausprägungen lebt. All dies ist Wasser auf die Mühlen des interdisziplinär besetzten Leibniz-WissenschaftCampus unter Federführung das Leibniz-Institutes für Bildungsmedien. Dessen Leiter Eckhardt Fuchs schlägt hier gemeinsam mit Kelty Brücken schlägt und zeigt, welche Potenziale in der konsequent interdisziplinär ausgerichteten Wissenschaft im Verbund der Leibniz-Gemeinschaft liegen. Die Erkenntnisse aus dem Besuch: Der Campus operiert auf international anschlussfähigem Niveau und befeuert mit seinen zahlreichen, aufeinander abgestimmten Projekten ein wissenschaftliches Verständnis und ein Begründen partizipativer Prozesse in einer Welt, in der das Digitale selbstverständlich geworden ist.
Hier geht´s zur Publikation: participant.kelty.org
Fotos: Andreas Rodemann.