Neues KomMa-Projekt: Lernen durch Lehre für Lehrende und Forschende!

In der jüngeren Vergangenheit entstand im Rahmen der Förderlinie “Innovation Plus”, die in Niedersachsen für innovative Lehr- und Lernkonzepte steht, ein neuer Kurs, der für Studierende der Ostfalia die Arbeit an und mit Masterarbeiten optimiert. Jetzt tritt das KomMa-Team in der neuen Förderperiode mit einem neuen Konzeptvorschlag an: “Lernen durch Lehre für Lehrende und Forschende”, so der Titel des Projektes. Der Hintergrund: In den erfolgreichen Forschungsprojekten der Ostfalia wird die Kommunikation von Projektergebnissen und neuen Erkenntnissen zumeist auf die jeweilige Fachgesellschaft begrenzt. Dabei erhält Wissenschaftskommunikation – hier ganz grundsätzlich verstanden als Austausch mit der Öffentlichkeit – wachsende Aufmerksamkeit (vgl. Schütte 2020). Auch als Arbeitsfeld für Absolventen des Studiengangs Kommunikationsmanagement gewinnt die Wissenschaftskommunikation Jahr für Jahr zunehmend an Bedeutung: Die Zahl der Ausschreibungen zur Gewinnung von Öffentlichkeitsarbeitern von (zumeist außeruniversitären) Forschungseinrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft und aller an-deren großen Institute ist stark angestiegen. Zudem erhält in vielen Förderlinien (insbesondere auf EU-Ebene) ein vorgesehener, professioneller Austausch mit der Öffentlichkeit bei Vergabeentscheidungen zunehmend höhere Relevanz, was auch für diese Projekte oft die Einbindung von dafür ausgebildeten Kommunikationsmanagern erforderlich macht, zumindest jedoch die Integration von Know-how erfordert. In den kommenden Jahren werden bundesweit drei große Zentren für Wissenschaftskommunikationsforschung (VW-Stiftung 2020) gefördert, was auch bezogen auf eine Karriere in der (Kommunikations-)Wissenschaft (angestrebte Promotion) das Qualifikationsfeld an Attraktivität gewinnen lässt – in den Kommunikationswissenschaften wird die Bedeutungszunahme seit gut zehn Jahren unter dem Begriff der Medialisierung der Wissenschaft breit diskutiert, daneben spielen Aspekte der Disintermediation eine wichtige Rolle.

Der mit diesem Antrag verbundene und im Zuge der jüngsten Reakkreditierung (mit Beginn WS 20/21) neu gefasste Studiengang Kommunikationsmanagement sieht sowohl konkrete Vertiefungen als auch projektbasierte Lehre vor. Das hier beantragte Projekt wird das Konzept LdL (Lernen durch Lehren) nach Kenntnis der Antragsteller erstmalig auf ein Blended-Learning-Angebot für Lehrende an Hochschulen anwenden (eine große Zahl an Quellenverweisen auf das zwischenzeitlich recht gut erforschte LdL-Konzept können auf Anfrage zusätzlich eingereicht werden, ebenso wie Quellen zur Medialisierung der Wissenschaft und zur Disintermediation).

Konkret: Studierende des Masterkurses entwickeln in zwei zusammengehörigen Modulen (Vertiefungsrichtung und Projekt) ein Lehrangebot, das als Moodle-Kurs für Forscherinnen und Forscher der Ostfalia zur Verfügung steht. Dieser Kurs führt die Forschenden stark anwendungsorientiert in die zielgerichtete Wissenschaftskommunikation ein. Der im Ostfalia-System verfügbare Online-Kurs wird dann durch zwei Praxis-Workshops im Februar 2022 ergänzt, den ebenfalls Studierende vorbereiten und durchführen. In diesen Workshops werden insbesondere mediengerechte Darstellungsformen (massen- und sozialmediales Paradigma) eingeübt. Über die Vergabe von Mitteln für die Projekte im Feld Innovation Plus wird in den kommenden Wochen entschieden. Jetzt heißt es also: Daumen drücken für das KomMa-Team.

Foto: Annie Spratt / Unsplash

Digitales Wintersemester 2020/21 mit Moodle

„Schön, dass Sie da sind und herzlich Willkommen“ – die Begrüßungsworte der vergangenen, ersten Vorlesungswoche sind noch nicht ganz verklungen. Studierende der Ostfalia wurden zigfach vielerorts (und „virtuellenorts“) willkommen geheißen: Sie haben den Weg zu Präsenz-Begrüßungen am Campus Salzgitter gefunden, sie lernten Dozierende und Kommiliton:innen in synchronen Lehrveranstaltungen in BigBlueButton kennen und sie tummelten sich auf dem virtuellen Marktplatz der Lernangebote und der Lehrgemeinschaften, auf der Plattform Moodle. Gespannte (Vor-) Freude war auf allen Kanälen spürbar, denn das kommende, überwiegend digitale Semester, ist für alle Beteiligten Herausforderung und Ansporn zugleich.

Das KomMa-Team startet im Wintersemester 2020/21 u.a. mit den Medienmanagement- sowie Medienkommunikation-Studierenden des ersten sowie fünften Semesters und den Veranstaltungen „Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten“ und „Vertiefung wissenschaftlichen Arbeitens“ in ein Flipped-Classroom-Veranstaltungskonzept: Wesentliche Kursinhalte werden im Selbststudium Zuhause erarbeitet und während synchroner Lehreinheiten ergebnis- und anwendungsorientiert im Austausch mit Kommiliton:innen und Dozent:innen besprochen. Zentraler Lern-, Kommunikations- und Lehrraum ist Moodle. Die Kursumgebung ist durch Themenblöcke und Lerneinheiten übersichtlich und visuell ansprechend aufgebaut und durch vielfache Navigationshilfen, Verzeichnisse und Lernpakete logisch strukturiert. Neben textlichem Input gibt es Informationen im Bild-, Audio- und Videoformat, sodass verschiedene Sinnes- und Lerntypen unterstützt werden. Für die Maximierung des Lernerfolgs und zur Vermeidung von „Bulimie-Lernen“ ist die Sichtbarkeit fortgeschrittener Abschnitte an Abgabe-Bedingungen geknüpft: Jedes Kurselement beinhaltet nach einer Quiz-Option Arbeitsaufträge zu den Inhalten der jeweiligen Lektion. Die Einreichungen sind terminiert und somit auf die Inhalte der regelmäßig stattfindenden, synchronen Lehrveranstaltungen abgestimmt.

Unter Einbindung zahlreicher H5P-Elemente freuen wir uns sehr, weitere Vorteile der Lernplattform Moodle für die digitale Hochschullehre optimal nutzen zu können:

  1. Die adaptive Lernumgebung ermöglicht es, unterschiedliche Wissensstände von Studierenden abzubilden, ihnen Rechnung zu tragen und individuelle Anknüpfungspunkte für ein erfolgreiches Selbststudium bieten zu können.
  2. Vernetzt und flexibel erfolgt die Kurs-Kommunikation, die ortsunabhängig ist und eine direkte Vernetzung aller Kursteilnehmer:innen mit Hilfe von Mitteilungs- und Forumsdiskussionen befördert.
  3. Ergebnisse studentischer (Gruppen-)Arbeiten werden u.a. mit Hilfe von Wikis digital dokumentiert und können gleichzeitig anderen Studierenden oder einer breiteren Öffentlichkeit nachhaltig zugänglich gemacht werden.
  4. Die zeit- und ortsunabhängige Verfügbarkeit von Lernmaterialien bietet der studentischen Diversität viele Vorteile und Möglichkeiten zur Entfaltung.

Nun, in Woche zwei des neuen Semesters hallen die Worte der Begrüßung nach und fordern uns Dozierende, euch Studierende, uns als Lerngemeinschaft auf: Nutzen wir das anstehende Wintersemester, um die Digitalisierung der Lehre zu verbessern und neue Lernarrangements zu entdecken! Herzlich Willkommen, es ist schön, dass Sie da sind!

“International Virtual Academic Collaboration” für den DAAD

Bessere Abschlussarbeiten in kürzerer Zeit. Ein deutsch-russisches Propädeutikum.

So lautet der Titel eines Projektes, das das KomMa-Team jetzt beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) zur Förderung eingereicht hat.

Das Projekt baut auf einer Partnerschaft des KomMa-Teams und der Sochi State University auf und nimmt ein Kursangebot in den Blick, der in der Vergangenheit über den Austausch von Dozierenden bereits international verschränkt gehalten wurde. Im Rahmen eines Blockseminars wurden Standards für Abschlussarbeiten (Gliederung, Begutachtung, Methodenwahl) sowie ausgearbeiteten Schreibroutinen in einen Diskurs überführt, der insbesondere auch länder- und wissenschaftskulturspezifische Kriterien gegenüberstellte. Für insbesondere die russischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwies sich dabei die unterschiedliche Ausgangsbasis, ein durchaus divergierendes Niveau wissenschaftlicher Praxis sowie die “Nicht-Muttersprachlichkeit” (der Kurs wurde in englischer Sprache angeboten) als grundlegende Herausforderung. Diesen Problemstellungen soll im Rahmen des beantragten Projektes mit einem durchgängig digital vermittelten, dabei jedoch kombinierten muttersprachlich-asynchronen und fremdsprachlich-synchronen Angebot mit nun direkter Begegnung deutscher und russischer Studierender begegnet werden. 

Bei KomMa wurde im Wintersemester 2019/2020 und im Sommersemester 2020 ein umfassendes Blended-Learning-Konzept entwickelt, das Studierende systematisch unter Einbeziehung von Podcasts, Videos, Screencasts, Live-Korrekturen, von digitalen Karteikarten, online programmierten Entscheidungsbäumen zur Methodenwahl, von Datenbanken und Foren, zu besseren und vor allen Dingen wissenschaftlich “korrekteren”, diskursorientierteren Masterarbeiten führt. Dieses Blended-Learning-Angebot ist inhaltlich unmittelbar mit jenem Kurs verschränkt, der in der Vergangenheit gemeinsam mit den Kolleg:innen in Sotschi durchgeführt wurde. Zielsetzung des Entwicklerteams der Ostfalia war es, die Plattform Moodle und dort möglichst viele der umsetzbaren H5P-Werkzeuge zu nutzen, um auch deren jeweilige Akzeptanz im Lehr-Lern-Prozess zu überprüfen. Der Kurs wurde im Sommersemester 2020 mit Erfolg auf Masterlevel eingesetzt und wird aktuell an der Hochschule Ostfalia einer Evaluation unterzogen. Dieses Onlineangebot wird nun im Rahmen des hier beantragten Projektes auf Bachelorniveau heruntergebrochen und in Abstimmung mit den Kolleg:innen in Sotschi auf die Bedarfe angepasst sowie in deutscher Sprache weiterentwickelt und im Russischen erstmalig angelegt. Dort, wo sinnvoll, werden voraussichtlich bereits entwickelte deutschsprachige AV-Angebote direkt eingebunden – hier wird mit Hilfe von russischen Untertiteln gearbeitet. Im umgekehrten Fall funktioniert dies ebenfalls – dann mit deutschsprachigen Untertiteln. Übertragungsleistungen vom Deutschen ins Russische werden in Sotschi, vom Russischen ins Deutsche in Salzgitter geleistet. 

Das bedeutet: Das Onlineangebot wird gemeinsam mit den Kolleg:innen in Russland weiterentwickelt und künftig (nachhaltig) auch auf Russisch angeboten. 

Dabei soll es in der Konzeptionsphase (August/September) vor allem darum gehen, die Spezifika der Länder zu diskutieren und im Onlineangebot sichtbar werden zu lassen. Dieser iterative Prozess soll am Ende zu zwei vergleichbaren und asynchron studierbaren Onlineangeboten zur Vorbereitung auf wissenschaftlich verfasste Abschlussarbeiten (Bachelor-Niveau) in deutscher und in russischer Sprache auf der Plattform Moodle führen. In beiden Hochschulen wird die Lernplattform genutzt, es gibt umfassende Erfahrung mit der Entwicklung von Kursen. Aufgrund des auf Moodle bezogenen größeren Erfahrungsspektrums liegt die Projektleitung für diesen Teilbereich auf Seiten der Antragsteller.

Teamkommunikation im digitalen Raum

Als eines der ersten Hochschul-Teams in Deutschland hat KomMa neue Formen der Zusammenarbeit erfolgreich erprobt. Weil im Rahmen der Corona-Krise nahezu alle Mitarbeiter:innen an die Arbeit im Home-Office gebunden sind, fallen Sozialkontakte im Team flach. Als das im Rahmen einer Online-Konferenz thematisiert wurde, brachte sich der Web- und Onlineexperte im Team – Benjamin Rech – ein und schlug den Einsatz von Discord, Trello und Etherpad gegenüber gängigen Projektmanagement-Tools wie Microsoft Teams oder Slack vor.
Im Podcast Trafohaus//Lehre spricht Benjamin mit Dr. Claudia Bade vom Hochschuldidaktischen Zentrum Sachsen (HDS) über seine Erkenntnisse zur Teamkommunikation im digitalen Raum und zu guter digitaler Lehre.

Discord ist ein Onlinedienst für Instant Messaging, Chat, Audio- und Videokonferenzen. Der Vorteil – Discord ist kanalbasiert – und plötzlich sitzen die Mitarbeiter virtuell in ihren Projektteams wieder zusammen. „Das hat dem gesamten Team in der Corona-Krise einen Schub gegeben“, sagt dazu Professor Harald Rau, der restlos begeistert ist von der Lösung: „Jeder kann in mein Büro kommen, wenn ich darin sitze, und es ist, als stünde eben meine Tür offen, dafür, ein Problem zu besprechen oder einfach nur seine Sorgen loszuwerden.“ Natürlich gibt es auch eine Kaffee-Ecke, und, wer nicht gestört werden will, verlegt den Arbeitsplatz in den „Tunnel“ oder meldet sich „AFK“ – also ‚away from keyboard‘.

Insgesamt ist das Ganze sehr effektiv für all jene, die daran gewöhnt sind, auch physisch bei der Arbeit zusammenzusitzen. Discord wurde als Plattform vor allem für Computerspieler:innen geschaffen – zwischenzeitlich gibt es mehr als 250 Millionen registrierte Nutzer. In Deutschland experimentieren auch andere Hochschulen mit dem Instrument – Henriette Strotmann von der Fachhochschule Münster beispielsweise organisiert auch Kurse mit Studierenden über Discord. Komma und die FH Münster wären aber national gesehen eher Ausnahmefälle. Aus datenschutzrechtlichen Gründen wurde von Experimenten mit Discord in der Lehre aktuell abgesehen, da eine datenschutzkonforme, digitale Übermittlung von Studierendendaten nicht gewährleistet werden kann.

Angst, überflüssig zu werden? Unbegründet!

Es soll noch einmal um die Lehre an der Ostfalia in Salzgitter gehen. In den ersten Teilen dieser Reihe wurde unser Autor ja durchaus grundsätzlich, heute soll es schließlich um die Angst gehen, als Lehren-der überflüssig zu werden, wenn schließlich alles digital ist, auf Landesebene vernetzt zur Verfügung steht – und plötzlich auch digitale Konkurrenten aus ganz anderen Orten für Studierende eine Rolle spielen können, weil es im Netz ja um die Ecke und damit auch im übertragenen Sinne nahe liegt…

Also, richtig, da war noch etwas, die Angst, dass man als Lehrender vor Ort in Salzgitter nichts mehr zu tun hat, weil sich Studierende an Lehrangeboten anderer Institutionen bedienen, bei Profis, die auch auf YouTube gut rüberkommen. Nun, sie ist dann zumindest unbegründet, wenn sich Hochschullehrer darauf besinnen, was Menschen verändert, was sie entwickelt. Der entscheidende Faktor heißt „Begleitung“ (der Autor dieser Zeilen war unmittelbar versucht zu schreiben: „liebende Begleitung“, vielleicht machen wir „zugewandte Begleitung“ daraus) – und die braucht den persönlichen Kontakt, den Austausch, ob digital oder analog vermittelt, sie erfordert, dass Lehrer den einzelnen Menschen sehen, seine Möglichkeiten und seine Anstrengungsmotivation, dass ihm in Lernkrisen zur Seite gestanden wird, jeder und jede zum Weitermachen motiviert wird. Ein Satz der die Essenz guter Hochschullehre exzellent formuliert, stammt von Timothy Slayter, der unter anderem Buch das „University Teaching Matters“ geschrieben hat, ein Titel, der sich mit „Die Lehre an der Uni hat Bedeutung“ grob übersetzen lässt. Und er sagt: Gute Lehre ist hoch komplex, und sie führt auf beiden Seiten – bei Lehrern wie Studenten – zu Frustrationen. Doch diese Frustrationen sind in seiner Überzeugung wichtig, denn nur sie können am Ende zu Höchstleistungen motivieren, ein Über-Sich-Hinauswachsen ermöglichen. Wer sich in der Grundschule Multiplikation oder Division aneignen musste, weiß es, wer der aus dem Spiel mit Subjekt, Prädikat und Objekt Fähigkeiten entwickelt hat, wie jene, einen solchen Artikel, den Sie nun gerade lesen, zu schreiben, weiß es möglicherweise noch besser: Lernen ist anstrengend – und es muss und darf uns an unsere eigenen Grenzen führen. Je öfter dies der Fall ist, desto erfolgreicher das Bildungssystem. Die Digitalisierung gibt nun neue Möglichkeiten an die Hand, Komplexität zu beherrschen. Wenn Hochschullehre, wie von Timothy Slayter beschrieben, hoch komplex ist, dann sollte man diese Möglichkeiten begrüßen, ja nachgerade umarmen, sich ihrer annehmen und dafür auch die politischen Weichen stellen.

Man könnte es auch als Aufforderung so formulieren: „Wir haben aktuell die Chance, das beste aller denkbaren Systeme hochschulgebundener Bildung zu schaffen! Wir sollten sie nicht ungenutzt vorbeiziehen lassen!“

Die besten Studierenden sind jene, die sich selbst organisieren können, die sich feste Routinen schaffen und darauf einlassen, zur Verfügung gestellte Materialien auch studieren, jene, die auf das Externalisieren von Bedingungen und auf Schuldzuweisungen an Gegebenheiten des Systems verzichten. Wäre ausgeprägte Selbstorganisationskompetenz das einzige, was ernsthaft Studierende aus einem Studium mitnehmen, müsste man sich um „Employability“, das ist eine dieser Zauber-Vokabeln, die bildungspolitisch motivierte Herzen oft höher schlagen lässt, man müsste sich kaum mehr darum kümmern, denn wer selbstorganisiert arbeiten kann, kann sich in nahezu jede talentnahe Tätigkeit schnell einarbeiten. Selbstorganisationskompetenz kennt eine wesentliche Voraussetzung, sie lässt sich als Binsenweisheit formulieren: Wer lesen kann, ist im Vorteil! Was man also auch in und mit dieser Krise wieder neu lernen darf: Lesen ist nach wie vor die wichtigste Kulturtechnik – und jene, die es beherrschen, einerseits schnell, andererseits dennoch konzentriert zu lesen, schreiben am Ende deutlich bessere Skizzen und Arbeiten, sie sind aufmerksamer bei den Besprechungsterminen und können auf hohem Niveau mitdiskutieren. Interessant dabei: Es braucht solche Krisenzeiten, es braucht eine konsequent digitalisierte Hochschullehre, um dies in aller Konsequenz sichtbar zu machen.

Ergo: Das zentrale Ziel von Bildungspolitik darf Lesekompetenz lauten. Sie ist die Grundvoraussetzung der Selbstorganisationskompetenz. Wer ein Buch studieren kann, scheitert an keinem Moodle-Kurs, für den sind digitale Lernangebote eine perfekte Ergänzung, wenn sie zusätzlich zu reiner Lektüre Videozuspielungen, Audio-Vorlesungen, Interviews, Übungsaufgaben, intensive Reflexionsübungen oder Konzepte zur eigenständigen Bewertung von Aufgaben anderer enthalten. 

Zeitungen haben in den vergangenen Wochen im Digitalen eine bemerkenswerte Renaissance erlebt – auch das zeigt: nur wer lesen kann, ist letzten Endes am gesellschaftlichen Prozess beteiligt und akzeptiert auch nicht leichtfertig die Verlockungen, die einfachere Verschwörungsmythen bieten.

Foto: Joe Beck / Unsplash

Die Top Ten Tools digitaler Lehre

In unserer Rubrik Digitale Hochschule widmen wir uns dem ortsunabhängigen Lehren und Lernen. Aktuelle Themen und Fragestellungen werden beleuchtet und diskutiert. In diesem Teil der Serie geht es um ein Best-of digital gestützter Lehr- und Lernwerkzeuge. 

Rubrik: Learning Management Systeme (LMS)

#1 BigBlueButton
BigBlueButton ist ein Open Source-Web-Konferenzsystem und für den Einsatz in digitalen Lernumgebungen gedacht. Das zeigt sich an den zahlreichen interaktiven Funktionen: Audio- und Videoformate, Präsentationen mit kollaborativem Whiteboard, Umfragen, öffentliche sowie private Chats und untergeordnete, virtuelle Konferenzräume (sog. Breakout Rooms). BigBlue-Button kann in viele Lern-Management-Systeme (z.B. Moodle oder StudIP) eingebunden werden.

#2 Moodle
Moodle ist ein Open Source-Lernmanagementsystem mit unglaublich vielen Möglichkeiten für virtuelle Lern- und Kommunikationsprozesse. Moodle ermöglicht u.a.:

  • Bereitstellung beliebiger Lernmaterialien wie z.B. Texte, Videos, interaktive Lernobjekte und beliebige Dateiformate
  • Kommunikations- und Kollaborationsaktivitäten wie z.B. Foren, Chats, Wikis etc.
  • Interaktive Elemente wie z.B. Tools zur Gruppenarbeit, Peer-Feedback, Tests, Umfragen etc.
  • Aufzeichnung und Bereitstellung von Videos
  • Aufzeichnung und Vertonung des Bildschirminhalts (Screencasting)

Rubrik: Tools für mehr Interaktion

# 3 H5P
H5P ist ein webbasiertes Open Source-Tool. Hierüber können interaktive Lernmaterialien (Videos, Quiz-Aufgaben verschiedenster Art, Spiele etc.) erstellt werden. Die Inhalte werden responsiv dargestellt, d.h. sie passen sich jeder Bildschirmgröße benutzerfreundlich an, und beruhen auf dem Technikstandard HTML 5. Die interaktiven H5P-Inhalte können in beliebige Websites, Content Management Systeme oder Lernplattformen wie z.B. Moodle eingebettet werden.

#4 Mahara
Mahara ist ein Open Source-Tool für ein E-Portfolio-System, mit dem digitale Materialien kollaborativ gesammelt, sortiert und kommentiert werden können. Ein E-Portfolio kann als eine interaktive Online-Sammelmappe von Texten, Bildern, Videos verstanden werden, die Projekte strukturiert und Einblicke in die Arbeit Mitstudierender gewährt. Somit dient das Portfolio sowohl der selbstständigen Vertiefung und Reflexion als auch einem wechselseitigen Feedback kollaborativen Lernens. Mahara lässt sich z.B. mit der Lernplattform Moodle koppeln.

Rubrik: Tools für Video- und Audioaufnahmen

#5 Open Broadcaster Software (OBS)
Die Open Broadcaster Software ist ein Open Source-Tool für die Aufzeichnung von Live-Streams und Screencast-Videos. Weitere Tools für die Aufnahme von Screencasts, die ein zusätzliches Editieren der Videos möglich machen, sind z.B. Loom oder Camtasia.

#6 Audacity
Audacity ist ein Open Source-Audioeditor. Auf beliebig vielen Spuren können digitale Audiodateien gemischt und bearbeitet werden.

Rubrik: Tools für kollaboratives Schreiben und Zeichnen

#7 Etherpad
Das Etherpad ist ein webbasierter Texteditor und die klassische Variante eines kollaborativen Schreibwerkzeugs (Open-Source-Lizenz). Mit dem Etherpad können mehrere Autoren synchron ein Textdokument bearbeiten, wobei alle Änderungen sofort bei allen Teilnehmern sichtbar werden. Ein Pad kann genutzt werden für: Brainstorming, gemeinsame Mitschriften, Überarbeitung von Textentwürfen etc.

#8 MEBIS-Tafel
Die MEBIS-Tafel ist ein Open Source-Tool aus der Kategorie „Online-Whiteboards“. Dabei handelt es sich um browserbasierte Plattformen für die visuelle Zusammenarbeit. Ein digitales Tafelbild ist zunächst eine grenzenlose Web-Oberfläche, auf der sich verschiedene Medienformate wie Texte, Bilder, Videos, Audiodateien und Zeichnungen miteinander kombinieren und frei gestalten lassen. Weitere freie Anwendungen sind u.a.: Draw.Chat, AWW-App, Miro etc.

Rubrik: Team-Workspace-Tools

#9 Discord
Discord ist ein kostenloses Kommunikationstool aus der Gaming-Szene und ermöglicht Gruppen die Kommunikation in Text-, Audio-, Sprach- und Videoformaten. Darüber hinaus bietet Discord das Anlegen von virtuellen Raum-Strukturen, beliebig viele Audio- und Textchannel können geöffnet werden, Bots lassen sich für weitere Funktionen einsetzen und der eigene Bildschirm kann an Mitglieder der Gruppe gestreamt werden. Die Software ist als App oder direkt im Browser benutzbar.

#10 RocketChat
RocketChat ist ein Open Source-Instant Messenger. Mit dem Chatdienst können Gruppen in Echtzeit kommunizieren sowie Texte, Dateien und Links austauschen. Das Kommunikationstool eignet sich daher besonders für kollaborative Projekte und Aufgaben: Brainstorming, Feedback, betreute Lernprozesse, Projektverwaltung etc.

Allgemeiner Hinweis: Grundsätzlich empfiehlt es sich, bereits lizenzierte und von Ihrer Hochschule bereitgestellte Werkzeuge zu nutzen. Diese Toolsammlung gibt darüber hinaus Inspiration für weitere freie, kommerzielle Anwendungen. Falls Sie sich nicht darüber im Klaren sind, ob Sie ein bestimmtes Tool einsetzen können bzw. dürfen, klären Sie dies mit dem Rechenzentrum bzw. dem/der Datenschutzbeauftragten Ihrer Hochschule.

Teil 1 der Artikelserie Digitale Hochschule: “Jetzt studieren alle online! Geht das?” von Prof. Dr. habil. Harald Rau

Ein besseres Beispiel gibt es nicht: Politik kann etwas bewegen!

Der neue Niedersächsischer Landtag 2018

Am 20. Mai berichteten wir an dieser Stelle mit welchem Aufwand die digitale Lehre an der Ostfalia in Salzgitter ganz konkret verbunden ist – das ist die Schattenseite der insgesamt ja durchaus positiven Bilanz zum Online-Sommersemester. Heute soll es um Politik gehen – und was sie mit der Digitalisierung der Hochschullehre zu tun hat. Die für alle Lehrenden in Niedersachsen geltende Lehrverpflichtungsverordnung des Landes, kurz LVVO erklärt seit Jahrzehnten sehr deutlich, wie die Währung an einer Hochschule lautet: Das Kürzel nennt sich in Niedersachsen LVS, und es steht für Lehrveranstaltungsstunden, die in die beschriebenen Wochenstunden auf das Semester bezogen angegeben werden. Diese im Semester zu erbringenden Wochenstunden sind Dreh- und Angelpunkt der Hochschulorganisation. Was im System aktuell spürbar ist: Digitalisierte Lehrangebote wirken flexibilisierend, lassen sich mit schematisch zu erfassenden LVS nicht abbilden, ihre didaktisch ausgefeilte Entwicklung und der Einsatz multimedialer Angebote benötigen Stunden, Tage, Wochen.

Die Landesregierung mag zu dieser Einlassung anmerken: In Paragraf 14 erfasst doch die seit 2018 gültige LVVO alle Ansprüche, die eine digital vermittelte Lehre mit sich bringt. Dort heißt es in Absatz 5: „Die Erstellung und Betreuung von Multimediaangeboten kann in einem dem Zeitaufwand entsprechenden Umfang bei der Erfüllung der Lehrverpflichtung berücksichtigt werden.“ So weit, so gut: Man erkennt indes unschwer in diesen Tagen, dass die Währung „LVS“ in der Praxis digitaler Lehre nicht mehr zeitgemäß ist. Konsultationen finden häufiger statt, sind umfangreicher, Vorlesungen sind manchmal kürzer, dichter und vielleicht auch effektiver. Zumindest dann, wenn sie gut produziert sind.

Der Haken: die LVVO unterstützt alle Lehrangebote, die in diesen Krisentagen „business as usual“ betreiben, insbesondere also Vorlesungen, die vor leeren Sälen stattfinden und per Livestream ins Netz übertragen werden. Das mag im einen oder anderen Falle ja auch sinnvoll sein. Gute, zukunftsorientierte Lehre, die alle digital verfügbaren Werkzeuge und Möglichkeiten ausschöpft, sieht anders aus. Sie wird von den geschaffenen Anreizsystemen nicht erfasst, und sie wird vom politischen Akteur nicht aktiv gefördert. Denn gute digitale Lehre an Hochschulen zieht alle Register der Interaktion, mischt Lehrformen und Genres, und ihre Akteure sind in der Lage selbstsicher Kanalentscheidungen zu treffen. Das heißt, sie können schnell und am jeweils beabsichtigten Lernergebnis orientiert entscheiden welche Lernaufgaben in Form von Büchern, kürzeren Beiträgen und Texten, in Form von Audiodateien, Video, interaktiven Foliensätzen, „Livekorrekturen“, eines Quiz, einer Sortieraufgabe, der gegenseitig digital verteilten Korrektur von Hausaufgaben gestellt werden. All dies geschieht vor dem Hintergrund didaktisch sinnvoller Entscheidungen und sorgfältiger Abwägungen. Wer ein wenig länger darüber nachdenkt, erkennt, welcher Aufwand hierfür nötig ist, es ist ein Aufwand, der sich in keiner Weise über die Regelungen der LVVO abbilden lässt.

Dabei könnte vieles so leicht sein. Es muss ja nicht jeder das Rad neu erfinden. Warum tun wir uns als Hochschullehrer nicht im Land zusammen, arbeiten gemeinsam an den besten digitalen Kursangeboten, die Deutschland bieten kann, nutzen die Krise, um eine gemeinsame Plattform zu schaffen, vorhandene Digitalangebote zusammenzuführen? Warum finanzieren wir nicht im Land drei oder vier zentrale „Netzwerkhubs“ der Medientechnik – mit Möglichkeiten zur hochqualitativen Produktion von Lehrangeboten. Die technischen Möglichkeiten sind gegeben, was bei der Planung in der Vergangenheit vergessen wurde, ist die entsprechend dauerhaft angelegte Betriebsausstattung mit Personal. Nahezu alle Werkzeuge, mit denen wir heute die Digitalisierung der Hochschullehre ins Werk setzen, sind keinesfalls neu. Sie sind und sie haben sich bewährt. Und vieles von dem, was wir aktuell tun, hätten wir so oder zumindest ähnlich auch bereits vor mindestens einer Dekade hinbekommen. Warum wir dies nicht getan haben? Dieser Beitrag findet zumindest eine Antwort: Es war nicht nötig, und: es wurde nicht aus dem System heraus gestützt oder initiiert.

Foto: Ra Boe / Wikipedia / Lizenz: Creative Commons CC-by-sa-3.0 de

Sollen wir den Laden zu machen? Was Studis sich so wünschen!

Am 15. April gab es an dieser Stelle eine erste, recht positive Bilanz zum Online-Sommersemester: Mehr Zeit, die investiert werden muss, aber auch nicht unbedingt weniger oder schlechtere Ergebnisse. Seit dieser Woche (18. Mai) sind unter strengen Auflagen auch wieder Präsenzlehrveranstaltungen möglich, es bleibt an der Ostfalia in Salzgitter dennoch erstaunlich ruhig. Viele haben sich in der digitalen Lehre eingerichtet, sich mit ihr angefreundet. Eine Umfrage am vergangenen Montag (18.5.) im Studiengang Kommunikationsmanagement ergab: 55 Prozent der Studierenden eines Jahrgangs wollen auch künftig überwiegend Onlinelehre, 45 Prozent der Teilnehmer brauchen für sich auch den persönlichen Kontakt mit Mitstudierenden und Dozenten. Auch dieses Ergebnis zeigt: Wer sich jetzt nicht darauf einlässt, verpasst grundlegend etwas – und die verwendbaren Werkzeuge sind leichter zu bedienen und anzuwenden, als sich das viele das noch immer vorstellen. Entscheidend ist die Didaktik, also die Frage, wie man welche Inhalte in eine Struktur, in eine Logik, genauer: in eine Vermittlungslogik überführt. Wer heute Schwierigkeiten in und mit der Online-Umsetzung von Lehrangeboten hat, darf sich also noch einmal intensiver mit dem generellen „Wie“ beschäftigen, mit der Frage, auf welche Weise Themenfelder oder Schwerpunkte thematisiert werden sollten. Es gibt zahlreiche Konzepte – viele von ihnen aus den 1970er Jahren, sie funktionieren auch in der Onlinewelt. Genau deshalb kann man in der Krise auch eine Chance sehen!

Beim Blick zurück könnte man gar der Landespolitik Versäumnisse vorwerfen. Zur Erinnerung: Bildungspolitik ist im föderalen Deutschland Ländersache. Auch wenn das zu unterschiedlichen Regelungen und Qualitäten der Schulabschlüsse führt – und dies regelmäßig kritisch diskutiert wird, so ist das doch grundlegend eine sehr gute Sache. Es macht die Bildungspolitik flexibler, anpassungsfähiger. Schließlich: die Politik und ihre Protagonisten sind einfach „näher dran“. Doch bezogen auf die Digitalisierung der Lehre an den Hochschulen, zeigen sich in allen Bundesländern derzeit Defizite. Warum? Vielleicht liegt der Hauptgrund in den Anreizsystemen. Hochschullehrer erkennen aktuell: Digitale Hochschullehre ist anspruchsvoll, ist intensiv – und sie macht viel Arbeit, sehr viel Arbeit. Wer sich für die Sache engagiert , sitzt Stunden um Stunden, um Screencasts zu produzieren, individuelle Gespräche anzubieten, Aufgaben zu formulieren, Korrekturschleifen einzubauen, vielleicht noch einen Podcast einzusprechen, am Abend noch über Mail- und Messengerdienste eingegangene Fragen zu beantworten. Ein Beispiel: Für einen aktuell und für dieses Semester neu aufbereiteten Onlinekurs auf Masterniveau im Studiengang Kommunikationsmanagement wurden von Professoren und Mitarbeitern insgesamt bereits 420 Stunden an Arbeitsleistung investiert. Dabei steht dieser Kurs pro Semesterwoche mit lediglich zwei Stunden an Lehrzeit im Kalender. Jeder Professor, jede Professorin an der Ostfalia in Salzgitter muss im Semester 18 Stunden pro Woche unterrichten. Richtig, der Kurs kann in den kommenden Jahren weiterverwendet werden, eine Aktualisierung ist mit geringerem Aufwand möglich. Aber auch die Lehrenden müssen sich die Möglichkeiten digitaler Hochschullehre erst einmal aneignen. Nicht alle die im Hörsaal überzeugen, können das auch auf YouTube. Der beschriebene Kurs vereint aufbereitete Screencasts, Video- und Audioangebote, digitalen Karteikarten, programmierte Entscheidungsbäume, gibt die Möglichkeit zur Einreichung von Aufgaben, stellt Texte zur Verfügung, eine Datenbank mit Literatur, ein wachsendes Wiki zu Methoden. Vieles davon benötigt umfangreiche Kenntnisse (zum Beispiel, wie man Werkzeuge aus dem digitalen Baukasten der H5P-Familie einbindet, was an dieser Stelle nur Insidern etwas sagen wird) – und wenn dann alles auch noch für mobile Geräte optimiert werden soll, braucht es endgültig den Experten.

Foto: Benjamin Rech

Jetzt studieren alle online! Geht das?

Nun also – eine neue Zeitrechnung. Erkenntnis Nummer eins: Es geht, es geht besser, als viele von uns dachten. Erkenntnis Nummer zwei: Es ist anstrengender, deutlich anstrengender und zeitraubender als viele in ihren schlimmsten Träumen befürchtet hatten. Erkenntnis Nummer drei: Wer digitale Hochschullehre ernst nimmt, und wer dafür Hingabe zeigt und noch mehr Hirnschmalz investiert, der erzielt gemeinsam mit den Studenten zum Teil deutlich bessere Ergebnisse.

Die persönliche Erfahrung an der Ostfalia in Salzgitter: Besonders gut funktioniert das mit der Digitalisierung in seminaristischen Kursen, bei denen am Ende des Semesters Haus- oder Projektarbeiten abgegeben werden müssen. Das sieht dann zum Beispiel so aus: In der ersten Stufe wird eine Projektskizze entwickelt und elektronisch auf einer Plattform eingereicht – wie diese Skizze auszusehen hat, ist für alle Seminarteilnehmer per Formular vorgegeben. Dann bewerten alle gegenseitig ihre Abgaben – auch dafür gibt es ein Formular, bei dem jeder sich ein Urteil über verschiedene Aspekte per Ankreuzen bilden darf – und damit eben auch die eigene Arbeit noch einmal in Frage stellen kann und muss: Ist das Thema verständlich formuliert? Ist die Projektumsetzung passgenau am Seminarkontext ausgerichtet? Stimmt der theoretische Hintergrund? Passen Beschreibung und der so genannte „Workload“ zueinander, also passen Skizze und geplanter Arbeitsaufwand für das Seminar zusammen? All das können die Teilnehmer bewerten – und ihren Kommilitonen zurückmelden, weil auch dieses Formular auf der Plattform gespeichert wird. Erst nachdem die Projektskizzen mit den Hinweisen der Mitstudierenden angepasst und in einer zweiten Fassung formuliert sind, greift der Dozent ein – und kommentiert die Formulare mit konkreten Hinweisen, gibt Anregungen, kritisiert, bewertet und formuliert möglichst präzise Hilfestellungen. Dann dürfen die Studierenden ihre Basisideen anpassen, vielleicht die ursprüngliche Skizze etwas konkreter ausformulieren. Erst im An-schluss kommt es zur Begegnung – der Ansatz, das Thema, die Struktur, der rote Faden wird im Gespräch – Face-to-Face, besser: Videobild-zu-Videobild online diskutiert; entweder mit jedem einzelnen (bei klassischen Haus- oder Seminararbeiten) – oder aber mit ganzen Projektteams, je nachdem für welche Arbeitsweise man sich im Seminar entschieden hat. Man trifft sich online – im Hangout, bei Duo, Skype, WhatsApp, bei Facetime, Zoom, Discord, Slack, im Facebook-Messenger oder mit Hilfe des Videokonferenzsystems „Big Blue Button“. Jede dieser Varianten hat ihre Vor- und Nachteile. Bleibt zu bemerken: Beherrschen sollte man als Hochschullehrer inzwischen alle diese Systeme – das meiste ist intuitiv gestaltet, und vieles ergibt sich beim Ausprobieren. Denn auch das ist eine Erkenntnis dieser Zeit, wir alle sind geduldiger miteinander.

Der größte Unterschied in solchermaßen organisierter digitaler Lehre liegt nicht in der Technik selbst, er liegt darin, wie Gespräche online verlaufen, welche Schwerpunkte sie setzen und welche Inhalte in ihnen ausgebreitet werden. Konsultationen für Seminararbeiten und Projekte, die zum Beispiel mittels Skype-Videotelefonie durchgeführt werden, sind erstaunlicherweise meistens deutlich effektiver als Sprechstunden, bei denen man sich im Seminarraum oder Büro trifft. Woran das liegen könnte? Nun, Studieren hat immer etwas mit Denken, mit Kognition zu tun, im Büro, bei der Sprechstunde spielen in der direkten Begegnung Emotionen oft die wichtigere Rolle. Man ist sich unsicher, man glaubt, schnell zu verstehen, das Problem genau zu erfassen und erkennt dann erst später, dass man vielleicht doch noch eine zusätzliche Frage hätte stellen müssen; man achtet auf das Umfeld, auf Befindlichkeiten, auf die Atmosphäre, die Stimmung. Vieles davon fällt beim Online-Austausch weg. Das sehen viele Manager übrigens als großen Nachteil von „Home-Office“, man darf es getrost auch einmal als Vorteil formulieren: Online wird mehr inhaltlich nachgefragt. Bezogen auf Projektarbeiten sind zumindest im Studiengang Kommunikationsmanagement viele Studierende in diesem Semester, das einige Professorinnen und Professoren schon als „Nichtsemester“ klassifizieren wollten, deutlich weiter als in den vorangegangenen Jahren, in denen es selbstverständlich war, sich im Seminar persönlich zu treffen. Dafür aber gilt: Die Lehrangebote sind intensiv und anstrengend, Skype-Gespräche und –Konsultationen zu thematisch anspruchsvollen Arbeitsleistungen der Studenten sind zeitaufwändig, wer Onlinelehre ernstnimmt, arbeitet mehr.

Foto: Harald Rau