Hinter den LBS-Forscher:innen Naomi Nowak und Per Ole Uphaus liegt eine produktive und sehr kreative Woche. In nur 5 Tagen haben sie gemeinsam mit dem Gründerteam des Berliner Startups Cluster um Matthias Meyer , Hannah Greven und Benjamin Rech, einem ehemaligen, uns immer noch sehr eng verbundenen KomMa Mitglied in einem Design-Sprint einen Prototypen einer Journalismus-App entworfen. Cluster ist die Vision einer innovativen Journalismus-Plattform, die Nachrichten-Interessierten ein vielfältiges, soziales und dank Themensortierung einzigartiges Nachrichtenerlebnis bietet. Die Mission der Entwickler:innen von Cluster? (Lokal-)Journalist:innen fördern! Ziel des Design-Sprints vom 10. bis 15. Oktober war es, zentrale Ideen in kurzer Zeit umzusetzen und so einen weiteren wichtigen Schritt in der Entwicklung der Cluster-App zu gehen. Das Buch “Sprint – Wie man in nur fünf Tagen neue Ideen testet und Probleme löst” von Knapp et al. (2016) diente den Tüftler:innen dabei als Orientierungshilfe. In dem praxisorientierten Werk stellen die Autor:innen eine interessante Methode vor, wie in der Zeit von Montag bis Freitag aus einer Idee ein Prototyp entsteht.
Montag: Make a map & choose a target
Die Woche startete mit Brainstorming und einer umfangreichen Problemidentifikation: Wie generiert man Aufmerksamkeit für eine neue App? Wie kann ein vielfältiges, lokales und finanzierbares Informationsangebot mir Relevanz für Nutzer:innen sichergestellt werden? Wie kann es gelingen, partizipative Elemente im Sinne der Idee des Bürgerjournalismus zu integrieren? Und wie ist es dabei um die datenschutzrechtliche und technische Umsetzbarkeit bestellt? Um in diesem ganzen Fragenwirrwarr nicht die Orientierung zu verlieren, galt es am Montag eine Roadmap zu entwickeln und einen roten Faden für die kommenden Tage herauszuarbeiten: Die Entwicklung des Prototypen sollte auf das Kennenlernen des Funktionsumfangs sowie die regelmäßige Nutzung von Location Based News (LBN) ausgelegt sein und die Nutzer: innen in den Vordergrund stellen. Dabei lautete das übergeordnete Ziel: Cluster will 1. Anlaufstelle für Lokalnachrichten sein und Lokaljournalismus finanzieren.
Dienstag: Sketch competing solutions
Am Vormittag des zweiten Tages lag der Fokus zunächst auf intensiver Recherchearbeit. Mit der am Montag festgelegten Ausrichtung des Prototypens auf das Kennenlernen des Funktionsumfangs und die regelmäßige Nutzung von LBN galt es folgenden Fragen nachzugehen: Was sind ansprechende Landing Pages, die den Nutzer:innen einen leichten Einstieg ermöglichen sowie einen gelungenen Überblick über die Funktionen der App bieten? Welche bereits existierenden, vielversprechenden Partizipationsansätze gibt es insbesondere im Gamification Bereich, um Nutzer:innen langfristig an ein Produkt zu binden? Die innovativsten Ideen wurden anschließend zusammengetragen, diskutiert und auf einem Flipchart skizziert.
Der Dienstag Nachmittag verlangte allen Teilnehmenden des Design-Sprints sodann ein besonderes Maß an Kreativität ab, denn nun sollte jede(r) sich aus den zahlreichen Ideen seine Favoriten rauspicken und in einer ansprechenden und vor allem selbsterklärenden Skizze veranschaulichen. Über zwei Stunden wurde gegrübelt, gezeichnet, gestrichen, verworfen – am Ende standen sechs individuelle Skizzen auf jeweils drei Seiten mit einem dazu passenden, originellen Titel.
Mittwoch: Decide on the best
Am Mittwoch ging es darum, sich für die beste Skizze des Vortags zu entscheiden und damit vielversprechende Umsetzungsideen für die Entwicklung des Prototypen zu konkretisieren. Leichter gesagt, als getan. Nach langen Diskussionen und intensiven Überlegungen konnten dann aber doch zwei Gewinner-Skizzen gekürt werden. Das Rennen machten zwei starke Entwürfe aus dem Cluster-Core. Benjamins Skizze mit dem Titel: “Alles wegen SEO” überzeugte mit einer starken Ausrichtung auf Suchmaschinenoptimierung, um so die Sichtbarkeit der Cluster Website und ihrer Inhalte für Leser:innen zu erhöhen. Hannahs Entwurf namens “gut informiert im Kiez und unterwegs” konnte wiederum durch die Auswahloption, ob man sich zu Hause in seinem Kiez oder unterwegs befindet und eine damit verbundene Ausspielung unterschiedlicher Nachrichtenangebote je nach Nutzungssituation beeindrucken. Auch aus den übrigen Skizzen wurden weitere spannende Aspekte aufgegriffen und verwertet. Alle Entwürfe wurden im Anschluss sorgfältig aufbewahrt, um anderen interessanten Ansätzen zu einem späteren Zeitpunkt nachzugehen.
Donnerstag: Build a realistic prototype
Der Donnerstag war von allen Tagen am herausforderndsten, denn nun galt es alle zuvor gemeinsam entwickelten Ideen in einen ersten Prototypen mit Hilfe des Prototyping-Tools Figma umzusetzen. Dabei wurde jedem Team-Mitglied eine feste Rolle zugewiesen welche die Textgestaltung, Artikelrecherche sowie die Zusammensetzung und Verbindung zwischen den einzelnen Screens beinhaltete.
Der fertige Entwurf des Prototypen überzeugt mit einem schlichten und übersichtlichen Design. Auf dem Startbildschirm werden die Leser:innen direkt abgeholt indem die Mission der App klar kommuniziert wird: Wir von Cluster wollen 1. Anlaufstelle für Lokalnachrichten sein und Lokaljournalismus finanzieren. Die nachfolgende Standorterfassung der Nutzer:innen wird auf den Kiez bzw. auf die PLZ heruntergebrochen und mit Hilfe eines Karten-Designs ansprechend dargestellt. Insgesamt liegt der zentrale Fokus des Prototypen auf Gamification-Elementen wie den Kiez-Challenges, welche sich aus einem Meinungsbarometer, dem Kiez-Quiz und der Möglichkeit des Erstellens eines eigenen Beitrags zusammensetzen. Zusätzlich setzt die App auf Belohnungssysteme (Gratifikationen) und ermöglicht es so den Leser:innen für gelesene Artikel und die daraus resultierende Informiertheit im Rahmen eines Levelrankings aufzusteigen. Den Nutzer:innen ist es zudem möglich alle bisherigen Erfolge anhand eines Score-Boards im persönlichen Profil nachzuvollziehen und den eigenen Spielstand mit dem der Freund:innen zu vergleichen.
Freitag: Test with target customers
Am Freitag war dann endlich der große Tag gekommen auf den alle so eifrig hingearbeitet hatten. In einem jeweils 60-minütigen Testdurchlauf wurde der Prototyp von insgesamt 5 Nutzer:innen genaustens unter die Lupe genommen. Während des Testdurchlaufs wurden alle Teilnehmenden vom Cluster-Praktikanten Eddy Khalili Sabet interviewt und zum Think aloud angeregt. Hierbei handelt es sich um eine Forschungsmethode, die im Usability-Test Anwendung findet und bei der die Testperson explizit dazu aufgefordert wird ihre Gedanken laut auszusprechen. Die restlichen Team-Mitglieder:innen haben derweilen ihre Beobachtungen schriftlich festgehalten. Insgesamt konnten aus dem Design Sprint folgende wichtige Erkenntnisse für die Fortentwicklung der Cluster-App und die Zukunft des Lokaljournalismus gewonnen werden:
Junge Nachrichteninteressierte…
- vermissen Lokaljournalismus im Alltag mit Bezug zu ihrer Lebensrealität.
- empfinden eine geführte Tour durch die App als motivierend, wollen aber bekannte UI-Elemente sehen.
- wollen persönlich angesprochen werden und finden Rückmeldungen in der App die ihre Bedürfnisse nach Bestätigung erfüllen (Gratifikationen) gut.
- wollen die Idee von Journalismus unterstützen und finden Journalist:innen-Abos interessant.
- finden Gamification in einer Nachrichten App interessant, aber nicht ausschlaggebend für die Nutzung.
- finden Datenschutz wichtig, weshalb das kleinste Element der Kiez/ der Stadtteil/ die Kleinstadt/ das Dorf ist (PLZ).
- installieren eine App nur auf Empfehlung von Freund:innen.
Wie geht es jetzt weiter?
Das Cluster-Team arbeitet seit dem 1. November mit EXIST-Förderung Vollzeit an dem Projekt und wird nun die Erkenntnisse des LBN Sprints und des dort erarbeiteten Prototypen implementieren, mit Nutzer:innen testen und die App entsprechend weiter verbessern. Für die LBS-Forscher:innen steht hingegen die wissenschaftliche Aufbereitung und Verschriftlichung der Ergebnisse im Rahmen einer Publikation an. Außerdem wollen sie weiterhin engen Kontakt mit dem Cluster-Team pflegen und an der fortlaufenden Entwicklung der App teilhaben.